Vom Nutzen der Bäume in der Architektur

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Bauen im Bestand, in zentralen Ortslagen, muss nicht immer als künstlicher Eingriff und als störende Veränderung wahrnehmbar werden. Zuweilen gelingt es, Altes mit Neuem so harmonisch zu verbinden, dass das Neue ein Mehr für Alle bringt, wo davor Schönes mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand.

Als bisher wenig attraktive Parkfläche in schönster Ortslage erfordert „Am Kirchplatz – 2226 Leben im Zentrum“ derzeit noch etwas Phantasie, um sich ein gelungenes innerörtliches Stadtentwicklungsprojekt, ein Quartier, das sich mit Wegen, Plätzchen und spannenden Durchgängen für die Bevölkerung öffnet, vorstellen zu können. Was schon da ist und was bleiben wird, ist auch ein innerörtlicher Park mit uraltem Baumbestand. Ein Wunsch, eine Bedingung der vormaligen Grundstückseigner war, die schönen grünen Riesen zu erhalten. So entstand auf rund 4.000 m² ein Komplex aus vier Baukörpern mit frei finanzierten und gemeinnützigen Wohnformen, von Geschäfts- und Begegnungsräumen rund um und quer durch einen gewachsenen und den Lustenauer:innen lieb gewordenen Baumgarten. Der sogenannte Fröwispark ist ein botanischer Glücksfall in Lustenau. Imposante, alte Parkbäume wie Blutbuche, Magnolie oder Ginkgo erinnern als wertvolle Relikte an die Gärtnerei, die hier einst lag. Dafür werden die Zäune entfernt und Durchgänge gestaltet. Wenige, einfache Kieswege erschließen die Anlage und binden sie an die Nachbarschaft an. Ruheplätze mit einladenden  Sitzgelegenheiten vervollständigen den Stadtparkcharakter, ohne allzu künstlich zu wirken. Die alten Baumriesen werden harmonisch durch passende Bäume, Sträucher und Blühgehölze ergänzt. In jeder „Etage“ vom Boden bis in die Baumkronen wird zu allen Jahreszeiten gärtnerische Raffinesse präsentiert. Die Idee, den alten Baumbestand nicht nur zu belassen, sondern sogar als zentrales gestalterisches Element ins Stadtquartier mit aufzunehmen, ist nicht zuletzt der zunehmenden Bedeutung von Grünräumen für die Bewohner:innen geschuldet. Bäume sind Teil der Geschichte eines Ortes und seiner Bewohner, oft viel weiter zurück reichend als die ihn umgebenden Bauten. Sie sind Zuflucht, vielfach ein Ort der Begegnung. Angezogen von ihnen schauen wir in eine imaginierte Vergangenheit und überlegen uns, welche fantastischen Dinge sich unter den weit auskragenden, hoch aufragenden Kronen abgespielt haben mögen. Liebe, Feste, Streit, Versöhnung – alles haben diese Wächter der Zeit gesehen. Ihre Präsenz beruhigt uns: da war etwas vor unserer Zeit und da wird lange danach auch noch etwas sein. Sie wirken verbindend und sind daher ideale Übergänge zwischen privaten Wohnzonen und öffentlichen Begegnungsräumen. Dieses Gefühl für das Gewachsene und den Blick in die Zukunft in ein lebensund liebenswertes Stadtquartier für ganz unterschiedliche Bedürfnisse und für alle Bürger:innen zu gießen, war Aufgabe der Gestalter am Kirchplatz. Städtisches Leben „Am Kirchplatz“. Auf einer Grundstücksfläche von rund 4.000 m2 entstehen vier Gebäude. In den drei- bis fünfgeschossigen Baukörpern werden Gewerbeflächen im Erdgeschoss und insgesamt 86 Wohneinheiten – überwiegend 2- und 3- sowie 4-Zimmer-Wohnungen in Eigentum, Miete oder Mietkauf – gebaut. Eine Tiefgarage bietet öffentliche und private Stellplätze – auch dies unterstreicht die Anbindung an das Ortszentrum. Die hohe bauliche und stadträumliche Dichte der Anlage öffnet sich in einen Freiraum zwischen den Gebäuden, der für die Öffentlichkeit als Park und Flaniermeile zugänglich sein wird. Der Ortskern von Lustenau wird dadurch zu einem echten Zentrum verdichtet. Ein bisschen muten die Häuser an, als wären sie aus einem Bildband über TelAviv, mit ihren gerundeten Ecken und weißverputzten Fassaden, den geschwungenen Balkonen mit Stahlreling. Städtisch eben, aber doch von charmanter Größe.

Technik zum Wohlfühlen

Nicht nur auf raumplanerische und äußerliche Merkmale wurde in einem umfassenden Entwicklungsverfahren seit 2014 Wert gelegt. Der Bezug zum Ortskern und zum Gemeindeleben waren Kernaufgaben der Planer. Auch den neuesten bau- und klimatechnischen Kenntnissen wurde entsprochen. Das Projekt „Am Kirchplatz“ ist der erste größere Wohnkomplex, der in „2226 Bauweise“ errichtet wird, und damit ein Pionierprojekt für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit im Wohnungsbau. Ohne konventionelle Klimatechnik auskommend, bieten die Häuser ganzjährig Wohlfühltemperaturen zwischen 22 und 26 Grad Celsius und optimale, geprüfte Luftqualität. Grundlage dafür ist eine besondere Massivbauweise mit 50 cm dicken Wänden, hohe Speicherfähigkeit, ein genauestens berechnetes Verhältnis von Fassaden- und Fensterflächen sowie softwaregesteuerte – aber auch manuell bedienbare – Belüftungsöffnungen. Eingerechnet in die Wärmebilanz sind dabei die Abwärme von Nutzern, von Beleuchtung und Geräten. Um den gegenüber konventionellen Bauten höheren Warmwasserbedarf effizient zu decken, soll das warme Wasser über Boiler mit Luft-Wärme-Pumpen erzeugt werden, und dafür kommt Solarstrom zum Einsatz.