Mehr Raum für den Baum
Wohl keine sang emotionaler über „Mein Freund, der Baum“ als Schlagersängerin Alexandra und rührte damit Millionen zu Tränen. Bäume lassen kaum jemanden kalt – auch in Lustenau sorgen sie in vielfältiger Weise für l(i)ebenswerten Lebensraum.
Eine Heerschar an Experten
Bäume stellen weltweit in Form von Bauholz eine immer knallharter werdende Währung dar. Im Rheintal wird ihre Bedeutung hingegen als natürliche Kühlespender und wahre Photosynthesekraftwerke immer größer. Wie gut, dass sich Bäume in Lustenau zur Freude und zum Nutzen der Bevölkerung entfalten dürfen. Als Parkbäume wie im Fröwispark, als Obstplantage wie bei Anton Häusler, der eine wichtige Zutat zum Lustenauer Senf liefert, oder als Schatten spendende Gehölze bei Kindergärten und Schulen, als Insektenrestaurant, als Architekturbegleiter auf Plätzen und ordnend auf Wegen. Von der Magnolie bis zum Gingko, von der Eiche bis zur Blutbuche: für die Hege und Pflege von Lustenaus Baumbestand sorgt eine ganze Heerschar an Experten unterschiedlichster Disziplinen.
Jeder Baum hat einen Namen...
Dazu zählt auch Freiraumplanerin Leanne Maree: „Öffentliche Bäume der Gemeinde sind in einem eigenen Baumkataster erfasst, der laufend ausgebaut wird und 1500 Bäume an öffentlichen Straßen, bei Gebäuden und Anlagen sowie im Erholungsgebiet Alter Rhein umfasst. All diese Bäume werden regelmäßig fachmännisch auf ihre Verkehrssicherheit überprüft und Gefahren- oder Dürrholz entfernt. Und: Jeder Baum hat einen Namen“ so Maree, die uns die Plakette der alten Linde bei der romantischen St. Antoniuskapelle zeigt. Der 25 Meter hohe Baumriese wacht über den beliebten Hochzeits- und Taufort Lustenaus. Was die um das Jahr 1901 – damals übrigens mit einem Zwilling – gepflanzte „Kapili-Linde“ wohl alles schon gesehen hat? Oder die Winterlinde beim Wäldersteg in der Bahngasse? Sie ist seit 1992 Naturdenkmal und markiert den Übergang vom Ortsgebiet zur Riedlandschaft. Einige Fichten wiederum bilden den Lebensraum für die Waldohreulen, die man am Parkplatz am Rohr manchmal sichtet. Je nach Art und Standort ist das Spenden von Schatten und die Funktion als Gratisklimaanlage mehr denn je gefragt. Der Leiter der Umweltabteilung, Rudi Alge, verweist auf aktuelle Neupflanzungen wie jene 30 schmalkronigen, schlanken Wildbirnenbäume entlang der Fahrradstraße Sandstraße/ Grüttstraße.
Eine 100-jährige Buche nimmt 6 Tonnen CO2 und 1 Tonne Feinstaub auf und erzeugt für uns 4,5 Tonnen Sauerstoff und pro Tag bis zu 400 Liter Wasser.
Werden und Vergehen
Bäume sind ein Symbol für die Natur, das Werden und Vergehen, erklärt der Lustenauer Künstler Franz Gassner. Sein von Architekt Rudolf Wäger 1972 geplantes, vielbeachtetes Haus in der Mariahilfstraße stand einst mitten in einer Obstwiese. Das erdverbundene Sockelgeschoß mit Ziegelmauerwerk erhebt sich im oberen Wohngeschoss als Holzständerbau auf die Höhe der umgebenden Bäume. Franz und Helga Gassner leben hier zeitlos glücklich mit der Natur draußen und spüren sie drinnen. Vor dem Haus klettert jemand in der Sommerlinde, als wohne er inmitten von Geäst und Blättern. Es ist Swen Riedesser, der seit drei Jahren seine Dienste als selbständiger Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung anbietet und seither fast ständig ausgebucht ist. Assoziationen an Tarzan oder einen Freeclimber am Fels drängen sich auf, wenn man ihn bei der Baumpflege betrachtet. Und in der Tat kam der Biologe und Kletterer erst als Quereinsteiger zur Baumpflege. Da selbst der schönste Baum ab und an Pflege braucht, lichtet er die rund 45 Jahre alte Sommerlinde der Gassners, die er seit Jugendtagen
kennt, professionell aus.
Von der Wiese in die Senftube
Unsere Baum-Erkundung geht weiter: Mitten in Lustenau liegt eine von Anton Häusler (Jg. 1949) bewirtschaftete Obstwiese. In der Mühlefeldstraße 13 stehen 100 Bäume verschiedener robuster Sorten wie dem steirischen
Weinapfel u.a. Seit 30 Jahren ist der „Senfar“ - das Unternehmen Senf Bösch - Abnehmer des Mostobstes
dieser idyllischen Wiese. Der daraus produzierte Apfelessig ist wesentlicher Bestandteil im beliebten Lustenauer Senf und damit eine echte Lustenauer Zutat. Pensionist Häusler, der das Anwesen mittlerweile geerbt hat und weiter als Hobby bewirtschaftet: „Nur alle zwei Jahre ist ein „Senfar“-Jahr, dazwischen habe ich es ruhig und die wenigen Äpfel verarbeite ich selber – mal zu Most, neuerdings sogar zu Schnaps. Mittlerweile brenne ich mit Philipp Herburger, unser Birnenbrand wurde bereits mit einer Silbermedaille prämiert!“
Fakt ist: Der richtige Baum am richtigen Ort wirkt positiv auf Menschen und Klima.
Seelenberührender Freund
Über das Hobby hinaus betrachtet die Wirtschaft den Faktor Baum. Das Lustenauer Unternehmen CARINI hat sich dem Pflanzen von Bäumen als Nachhaltigkeitsprojekt verschrieben. Das hauseigene Projekt „1:1 – ein Auftrag, ein Baum“ sieht vor, bis zum Jahr 2030 weltweit 150.000 Bäume, mindestens ein Drittel davon in den heimischen Wäldern in Vorarlberg, zu pflanzen. Mit der Initiative „Plant-for-the-planet“ unterstützt CARINI zusätzlich weitere Baumpflanzprojekte in Asien, Afrika und Südamerika. Fakt ist: Der richtige Baum am richtigen Ort wirkt positiv auf Menschen und Klima. Die Marktgemeinde Lustenau hat daher befürwortet, sich bei der KLAR (Klimaanpassungs)Region einzuklinken und wird 800 neue Bäume pflanzen. Jeder Baum bereichert: Er regelt den Wasserhaushalt in Luft und Boden, säubert die Luft von Feinstaub und bietet Tieren und Pflanzen einen Lebensraum. Und für manche ist er einfach ein Kraftbringer und Freund, der unsere Seele berührt.