Schlicht, Licht, Raum
Aufgefädelt wie an einer parallel zum Rhein gezogenen Schnur wirken die drei katholischen Kirchen in Lustenau aus der Luft betrachtet. Als würde sich der Pfad Gottes in sicherem Abstand zum Rhein von Glaubensort zu Andachtsstätte in gerader Linie durch die Gemeinde ziehen. Die drei mehr oder weniger älteren Damen haben außer ihrem Glauben wenig gemein. Ihre Aufgaben erfüllen sie ohne Prunk.
Mitten im Ortszentrum steht Lustenaus älteste katholische Kirche, St. Peter und Paul. In ihrer heutigen Form ist sie noch gar nicht so alt, eigentlich geradezu jugendlich, denn ihr letztes Make-over hat sie nach einem Architekturwettbewerb erst in den 1990er Jahren erhalten. Einladender sollte sie werden, großzügiger, und moderner natürlich. Dabei hatte sie in ihrer ersten Erscheinungsform 1830 einen namhaften Ingenieur in Alois Negrelli, dem maßgeblichen Mitgestalter des Suezkanals, gefunden; aber der Wunsch nach Erneuerung ist wohl so alt wie die Kirche selbst.
Kubisch, praktisch, schicklich
Wobei: modern ist relativ. Die jüngste der drei älteren Damen, die Guthirtenkirche im Hasenfeld, hat in den 1970er Jahren ihre Geburt erlebt, und sie ist für eine Kirche geradezu kindlichen Alters. Von außen kaum als solche erkennbar, öffnet sich der Innenraum säulenlos und auf den ersten Blick nahezu schmucklos abfallend zum schlichten, in Messing gekleideten Altar. Die junge Dame wird von einem elaborierten, unverkleideten und „stierblutfarbenen“ Stahlröhrenkonstrukt an der Decke aufrecht gehalten. Die Innenwände sind in einer Art Waschbeton aus gebrochenem Jura-Marmor gestaltet, und ist so wie auch die idente Außenhaut des Gotteshauses rau und etwas blass; warum die Wände gerade aus Marmorschotter sind, müsste man den Architekten, einen Tiroler, fragen. Schotter hätten die Lustenauer bestimmt selbst genug gefunden im und um den Ort. Bunte, bildreiche Fenster sucht man vergeblich, der Himmel ist wie weggezaubert. Nur in der Seitenkapelle sind zwei kleine bunte Fensterlein. Der Bau ist für Fans der 70er Ästhetik ein Design- Tempel, für das an traditionelle Sakralarchitektur gewöhnte Auge mitunter befremdlich mit seinen moosgrünen Polstersesseln und der grau gesprenkelten Auslegeware am Boden.
Unter der Kirche ist auch in der Kirche
Aber zurück zur alten Dame Peter und Paul. Lassen wir mal das Hauptschiff weg. Man kennt es schon und es ist hinlänglich beschrieben. Begeben wir uns in ihren Keller, die Marienkapelle. Der Eingang befindet sich auf der Friedhof-Seite, keine fünf Meter vom nächsten Grab, dort wo die Gießkannen gefüllt werden. An der gedrungenen, schweren, aber nicht großen und dunklen Tür ein schlichtes Schild „Marienkapelle“, das Notwendige halt. Nach einem kurzen Abstieg über von tausend Schuhen glattpolierte Stufen führt ein schmaler Eingang durch die sicher bald zwei Meter dicken Grundmauern in einen gar nicht großen Kellerraum. Und dennoch kennt er reges Leben, wie uns Maria Alge versichert. Sie kommt mit ihrer Rosenkranz- Runde wöchentlich hierher, so wie andere Gruppen auch. Warum sie einen Schlüssel hat? „Damit die Schäflein kommen können“, ist ihre Antwort, schlicht und wahr. Auch Taufen und bescheidene Beerdigungen finden hier statt. Manch einer schätzt die unbeschützte Weite des großen Kirchenschiffs im Parterre nicht so sehr. Man mag es gern intimer. Bevor der Raum, der noch „Unterkirche“ hieß vor der Renovierung in den 80er Jahren, wieder dem katholischen Werken und Tun zugeführt wurde, hatte er allerdings in den 70ern erlebnisreiche Auftritte als Betraum für die Lustenauer Muslime. 1973 wurden die Leserinnen und Leser des Pfarrblatts gefragt, was sie denn davon hielten. Die Antwort kennen wir nicht, aber Altpfarrer Giselbrecht erinnert sich, dass es da keine Aufregung gegeben habe.
Castello mit Lichtblick
Zwischen den beiden vorgenannten Gotteshäusern liegt altersmäßig die Erlöserkirche im Rheindorf. Die Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts haben einen zusätzlichen Andachtsort notwendig gemacht. Nicht nur, weil die Bevölkerung stetig gewachsen ist, sondern wohl auch, weil wir uns historisch gesehen im katholischen Ständestaat in Österreich befunden haben, der Hochblüte des Religionsstaates in europäischer Prägung. Stilistisch entspricht der graubraune Bau dem ästhetischen Zeitempfinden. Kein Protz, kein Prunk, zweckmäßig und doch Ehrfurcht gebietend. Und Demut. Diese letztere wird einem durch die Besonderheit der Lichteinflüsse aus den wunderbaren Fenstern des Glasmalers Carl Rieder aus Schwaz beigebracht. Je nach Wetterlage lassen sie gerade so viel Licht herein, dass man selbst im Dunkeln bleibt und sich nach der gebündelten Helle sehnt. Sie strahlen einen an und blenden froh herein, dass man sich umso mehr über die bunte Schöpfung vor der Türe freut, nach dem Bedanken für dieselbige. Der Anbau am Seitenschiff, die dreistöckige Sakristei, wirkt vom Friedhof aus betrachtet gar nicht einladend mit ihren vergitterten Fenstern. Das Innere nicht kennend, würde man wohl eher nicht auf einen barmherzigen Zweck des Gebäudes kommen. Ein Castello mitten in Italien könnte es sein, wüsste man es nicht besser. So unterschiedlich sie sich auch präsentieren, die drei gesegneten Gebäude, eines haben sie gemeinsam: Andacht kennt keine ästhetischen Bedingungen, ein bestimmter Stil ist dem Glauben weder zu- noch abträglich. Kurz: Beten geht überall.