Augenblick verweile
In unserer Serie porträtieren wir Menschen an ihren Lustenauer Lieblingsplätzen und fragen sie, was sie sonst noch so „fürs Leben gerne tun“.
Huschi (Hüseyin Armut)
© Marcel Hagen
Wenn man Huschi (Hüseyin Armut), 45, am FC-Platz antrifft, kann’s auch sein, dass er eigentlich im Urlaub ist und einfach nur nach dem Rechten sehen will. Man wisse ja nie. Vor allem aber zieht es ihn dorthin, weil sein Arbeitsplatz so viel mehr für ihn ist als ein Job. „Der FC ist Familie“, sagt er. Hier zerfließen die Grenzen zwischen Arbeit und Vergnügen, Wochenendschichten sind der Normalfall. Angestellt beim FC Lustenau ist der gelernte Großhandelskaufmann seit 18 Jahren. Trainer Eric Orie war es ursprünglich, der ihn als Betreuer ins Team holte. Damals, als man noch in der zweiten Bundesliga spielte. Seit der FC aus dem Profifußball Abschied nehmen musste, ist es zwar mit dem Betreuerjob passé, gleichzeitig haben sich die Aufgaben für ihn vervielfacht: Huschi macht das Büro, managt die Gastronomie, wartet den Platz, betreut mittags die Schulkinder und übers Jahr hindurch die Sponsoren. Eine ganze Heerschar an helfenden Händen steht ihm an den Wochenenden zur Seite. Rund 200 Leute, die regelmäßig für den FC arbeiten. An der Bonkassa, in der Gastro, als Ordner. Und zusätzlich ein ganzer Aufräum-Trupp. „Alles im Ehrenamt, nicht einer bekommt etwas bezahlt“, weiß Huschi das großartige Engagement zu schätzen. Seien doch bei einem Heimspiel bis zu 1.000 Gäste im Stadion, 700 eigentlich immer. Ja, den Einkauf für Getränke und Essen habe er im Griff. O-Ton: „Wenn mir das Bier ausgeht, kündige ich freiwillig!“ Vom Spiel an sich bekommt er wenig mit. „Um mir das Match anzuschauen, müsste ich mich irgendwo verstecken und das Handy ausschalten.“ Er lacht und winkt ab: „Aber das passt für mich, sonst würd’ ich eh zu sehr mitfiebern.“
Obwohl er zwischendurch auch gerne am Tennisplatz verweilt – „aber nur zum Zuschauen“ – und ihn auch das Laufen, Wandern und Jassen glücklich machen, ist es der Fußball, der seit Kindheitstagen über allem steht. Wen wundert’s – Huschi wuchs am Wiesenrain auf und hatte somit den Bolzplatz quasi vor der Haustür. Seine Liaison mit den Blau-Weißen begann dann Mitte der 80er, als Klein-Huschi zu einem Verein wollte. Alle Freunde waren bei der Austria, Qual der Wahl hatte er allerdings keine, denn des Vaters Wort galt: „Der FC oder keiner.“ Zu Huschis Schaden sollte es nicht sein. Er kickte sich mit Leidenschaft durch alle Nachwuchs-Kader, war später selbst Nachwuchstrainer und spielte bis 2013 im 1b. Seine schönsten Erlebnisse seit 40 Jahren FC? Brandaktuell ist das der Meister-Doppelpack von Kampfmannschaft und 1b. Rückblickend sind es die beiden Aufstiege in die 2. Liga, der Regionalliga-Meistertitel sowie die Cup-Siege. „Und natürlich die ersten Derbysiege gegen die Austria!“ Einen Verein gibt es dann aber doch noch, der mit der grande FCL-passione mithalten kann: „BAYERN MÜNCHEN – das kannst du großschreiben!“
"Lieblingsplatz Wiesenrain (gleich nach dem FC-Platz), weil ... ich früher tagtäglich dort Fußball gespielt habe. Nach der Schule warf ich die Schultasche ins Eck und traf mich mit den anderen überm Damm drüben. Wir spielten stundenlang, bis uns der Platzwart vertrieben hat. Jetzt bin ich in seiner Rolle und reg mich auf, wenn andere spielen."
Katrin Herburger
© Marcel Hagen
Katrin Herburger, 41, ist sich dieses Schatzes mitten in Lustenau sehr wohl bewusst. Die Äpfel, die hier gedeihen – alte Sorten mit besonderen Geschmacksnuancen – sind hoch begehrt. Ein großer Teil davon landet in den Edelbränden der hauseigenen H3 Destillerie, die Katrin gemeinsam mit ihrem Mann Philipp und dessen Bruder betreibt. Für die zweifache Mama steht die Hoschtat mit ihrem alten Baumbestand sinnbildlich für den Wert des Bewahrens: „Wenn man investiert, kann man ernten, und das in guter Qualität.“ Ein wenig klingt da noch die Bankerin in ihr durch – ein Beruf, den sie 20 Jahre lang ausgeübt hat. Aus dieser Zeit hat sie vieles mitgenommen. „Der Kontakt mit Menschen hat mir immer gefallen, ebenso das Kreative, als ich im Marketing tätig war“, erzählt sie. Zunehmend beschäftigte sie jedoch, „dass das Miteinander oft unter alten Mustern oder ungeklärten Konflikten litt“. Erste Impulse, wie sich das verbessern ließe, erhielt sie vor etwa zehn Jahren.
Angefangen hatte alles mit einem Lehrgang in Gestaltpädagogik. „Plötzlich habe ich verstanden, wie wichtig es ist, drängenden inneren Themen Raum zu geben, die eigene Wahrnehmung zu schulen und sich selbst zu reflektieren.“ Es folgten weitere Ausbildungen, die ihr ein neues berufliches Wirkungsfeld eröffneten und sie mit dem nötigen Rüstzeug für ihre heutige Selbstständigkeit als Supervisorin und Trainerin ausstatteten. Und die ihr persönlich halfen, „zwischen dem Erwartungsdruck von außen und den eigenen Bedürfnissen unterscheiden zu lernen und dafür einzustehen“. Das möchte sie heute auch an ihre Kundinnen und Kunden vermitteln. Sie sagt: „Vor lauter ,Weiter, höher, schneller, perfekter‘ vergessen viele Menschen sich selbst. Bei mir bekommen sie den Raum, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.“ Erst dadurch werde der Blick frei für tragfähige Lösungen – ganz im Sinne Kierkegaards, „das Leben rückwärts zu verstehen und vorwärts zu leben“. Leistung ist ihr wichtig – auch im sportlichen Sinn. „Immer unter der Prämisse, dass man einen gesunden und liebevollen Umgang mit sich selbst pflegt“, so Katrin. Sie liebt den Triathlon, das Mountainbiken in den Schweizer Bergen und das Kraulen im 50-Meter-Becken im Parki. Wenngleich aktuell die Zeit für sich selbst eher rar sei. Familie, Beruf und die Pflege der alten Hochstämmer sind trotz guter Aufgabenteilung mit ihrem Partner tagesfüllend. Immerhin gehe sich regelmäßig ein Besuch auf dem Tennisplatz aus – ein Ort, an dem Katrin gerne mit der ganzen Familie verweilt. Oder eben – das Gute liegt so nah – auf die Hoschtat hinterm Haus!
"Lieblingsplatz Streuobstwiese (immaterielles Kulturerbe der UNESCO), weil ... es eine Rarität, ein Idyll ist und ein eigener Lebenskosmos. Je nach Jahreszeit kann man anderes erleben und ernten. Du läufst da einfach durch und kommst zur Ruhe!"