Zwischen Himmel und Wasser
© Lukas Hämmerle
Markant und weithin sichtbar ragen die vierzig Meter hohen Lichtsäulen aus Sichtbeton über Lustenau hinaus. Sie tragen als Teil des massiven Unterbaus das neue Reichshofstadion, Heimat der traditionsreichen Austria, und verankern es zwischen Rhein und Gemeinde.
Es war in die Jahre gekommen, hatte viele Siege und (weniger) Niederlagen gesehen, und war alles in allem schon ein wenig aus der Zeit gefallen. Das Reichshofstadion hatte eine Runderneuerung in jeder Hinsicht dringend notwendig, und so wurde 2016 ein Gemeinderatsbeschluss zum erweiterten Neubau am bestehenden Standort gefasst. Zwei Jahre später folgte ein Architekturwettbewerb auf Basis des Masterplans der Architekturwerkstatt dworzak-grabher, an dem sich 17 Büros beteiligten, und den die Teilnehmergemeinschaft Bernardo Bader – Walter Angonese und gbd ZT für sich entscheiden konnten. Der Jury hatte insbesondere gefallen, dass der Entwurf den Bestand in einer gestreckten L-Form weiterführt und so das Austria Dorf umrahmt und einbettet. Denn das Stadion allein ist es nicht, das die Spielstätte der Austria Lustenau so besonders macht. Ein beheizbarer Rasen, hölzerne Tribünen für rund 5.000 Besucher:innen, dem Reglement entsprechende Beleuchtung in den 40 Meter hohen Betontürmen und modernste Infrastruktur im Inneren holen den Neubau in die Stadion-Oberliga. Das Besondere an gerade diesem Fußballplatz ist die Verbindung mit dem legendären Austria Dorf, für manch einen das eigentliche soziale Zentrum der Gemeinde, eine Mischung aus Marktplatz, Familienfest und den brandneuen Serviceständen mit Betonung auf Bier und Wurst. Denn hier wurde immer schon und wird immer nachgejasst werden, was das Zeug hält: Hunderte, wenn nicht tausende Fachnasen und Beinahe-Trainer feilen an der Strategie und der Aufstellung, und ganz nebenbei werden alte Feindschaften begraben und neue Freundschaften geknüpft. Ist das neue Stadion das Wohnzimmer des Fußballs, dann ist das Austria Dorf die gemütliche Küche, in der alle Feste beginnen und enden.
Wohnzimmer des Fußballs
© Lukas Hämmerle
Aber zurück zum Bauwerk, zu seiner Verortung in der Gemeinde. Die Lage inmitten des Ortsgebiets, eingeklemmt fast schon zwischen Rheinvorland und Ein- und Mehrfamilienhäusern und einem Sozialzentrum, hätte manch einen abgeschreckt, in diesen Standort weiter zu investieren. Die Diskussionen waren lang und intensiv, letztlich aber war die Treue zum historisch gewachsenen Ort und auch die Notwendigkeit, aufs Budget zu achten – das übrigens eingehalten werden konnte–, ausschlaggebend, den alten Standort zu erhalten. Freilich wurden alle möglichen Verkehrskonzepte, Lärmschutzmaßnahmen und Lichtlenkungsmanöver mitbedacht – schon bei der Ausschreibung. Dafür hat Austria-Fan und Architekt Hugo Dworzak schon bei der Vorbereitung zum Architekturwettbewerb gesorgt. Und so wird das neue Stadion hauptsächlich mit Fahrrädern, zu Fuß und mit Bussen zu erreichen sein. Die Nachbarn werden vor den Freudenschreien und dem Wutgeheul von den Tribünen mit Elementen aus Verbundsicherheitsglas geschützt, die das neue Bauwerk aus nachwachsendem heimischem Holz einhüllen. Weiterhin offen und zur Gemeinde und ihren Menschen hingewandt bleibt das Austria Dorf, und das ist auch gut so.
Architekt Bernardo Bader im Interview
© Lukas Hämmerle
Spielen Sie Fußball?
Schon lange nicht mehr. Aber in jungen Jahren ehemals beim FC Krumbach.
Haben Sie Bezug zu diesem Sport?
Ja, ich bin begeisterter Fußballfan.
Warum haben Sie sich an diesem Wettbewerb beteiligt?
Weil es ein Sonderbau ist. Unser Büro hat schon Friedhöfe, Kapellen, Schihütten, Hotels, Firmenzentralen, Bildungsbauten und auch Brücken geplant und realisiert.
Was hat Sie gereizt?
Der einmalige Ansatz in Lustenau, ein Stadion nicht am peripheren Ortrand, sondern in der Nähe des Dorfzentrums direkt am Rhein zu errichten. Ein Ort für den Fußball, dort wo das Leben der Menschen stattfindet.
Was inspirierte Sie beim Entwurf?
Das Thema des Weiterbauens am Beastand, kein typisches, allseits geschlossenes Stadionoval und die Idee eines „Wohnzimmers für den Fußball“.
Wie geht man an ein Stadion grundsätzlich heran – was ist anders als bei einer Wohnanlage oder Schule?
Ein Stadion vereint technische, soziale, städtebauliche und atmosphärische Anforderungen auf besondere Weise.
Wie lange „hält“ so ein Stadion? Gibt es da auch so etwas wie „Moden“?
Unser Entwurfsansatz folgt keinen Moden. Er entwickelt sich aus dem spezifischen Ort und der konkreten Themenstellung.
Was soll man von Ihnen und Ihrem Stadion in 30 Jahren sagen?
Das Reichshofstadion ist tatsächlich das „Tor zum Rhein“ geworden. Ein Ort, der weit über den Fußball hinausstrahlt.
Wie gehen Sie mit Kritik um, die es ja vermutlich auch geben wird?
Wie immer gelassen. Kritik während einer Projektgenese bedeutet für mich Ausdruck ernsthafter Auseinandersetzung und kann im besten Fall wichtiger Bestandteil einer qualitativen Projektentwicklung sein.
Eckdaten
© Lukas Hämmerle
Generalplanung: bernardo bader architekten
Projektleitung: Matthias Kastl
Bauherrschaft/Projektbetreuung: Marktgemeinde Lustenau/Markus Waibl und Christian Steiner
Wettbewerb: 2018, 1. Preis (mit Arch. Walter Angonese)
Realisierung: 11.2023 – 06.2025
Fläche: 22.900 m² Grundstück
Kubatur: 28.450 m³ Programm: ca. 5.000 Gäste (2.000 Sitz-, 3.000 Stehplätze)
Konstruktion: Holzbauweise, massive Sockelbauweise, Flutlichttürme
Eröffnung: 18. bis 20. Juli 2025