News Ich bin so frei, ich bleib zu Hause 15. Juli 2021

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Das Fernweh ist wie andere Schmerzen auch: Man vergisst sie zwar nicht ganz, aber man spürt sie irgendwann kaum noch. Warum soll man denn eigentlich immer verreisen? Unsere Wurzeln sind in diesem vergangenen Jahr stärker im Hier ver­wachsen. Die Freude an der Natur ringsum, am Garten und im Ried, am Selber-Tun und Entdecken hat auch deutlich zu­genommen. Was für ein Privileg, seine Erde selbst umgraben zu dürfen und damit auch noch zur Biodiversität beitragen zu können! Der Landschaftsraum von Lustenau liegt praktisch vollständig in der Landesgrünzone. Freihalteflächen, Ried mit und ohne Hütten, Landwirtschaft, Schrebergärten, Gewässer, Geh- und Radwege – und vor allem größtmöglicher Erholungswert für alle, auch in den zahllosen Privatgärten. Da­rum beneiden uns alle Städter von Bre­genz bis Wien. Aber das Wichtigste ist: Der Naturraum vor der eigenen Haus­tür ist Heimat im besten Sinn des Wor­tes. Dort, wo ich mich blind auskenne, wo meine Kinder spielend aufwachsen, wo ich meine Sorgen zu Fuß hintrage oder meine Grompra anbaue – das ist Heimat. Und da bleiben wir auch im Urlaub gern.

Der Naturraum vor der eigenen Haustür ist Heimat im besten Sinn des Wortes.

Im Ried bei Kurt

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Kurt genießt den sonnigen Freitagnachmittag in seinem Riedstück. Vor acht Jahren hat er es von einer Cousine über­nommen, und die davor vom Großvater. Drei Generationen werkeln nun schon auf diesem Boden, und alle haben ein klei­nes Stück zum Paradies hin beigetragen. Früher, so erzählt uns Kurt, sind die Leute zum Schollenstechen ins Ried ge­gangen, Heizmaterial für die einfachen Leute war das. Und dann wurden Grompra angebaut, damit man die kinderrei­chen Familien durch den Winter brachte. Höckarli, Spitzöhla und Krüchara, allesamt aus der Bohnenfamilie, werden nach wie vor angebaut, teils an elaborierten Gestängen zu luftiger Höhe gezogen. Neuerdings kommen zu den Kartoffeln, Boh­nen und Tomaten vielerorts auch Spargelbeete und anderes neumodisches Gemüse dazu. Tradition hat auch bei Kurt der Riedspaziergang mit der Frau und der anschließende Briend (am ehesten mit deftiger Jause zu übersetzen) am Tisch vor der Riedhütte. Freitags traditionell mit frischem Lustenauer Käsfladen, dem Dönnala. Auf die Frage, wie denn der Ge­brauch der Riedstücke reglementiert sei, reagiert man er­staunt: Wieso Regeln? „Alle wänd a Ruoh ha“. Anarchie kommt trotzdem nicht auf – Ruhe, Gelassenheit und ein bisschen rechtsfreier Raum, das ist das Wichtigs­te am Riedleben.

Ruhe, Gelassenheit und ein bisschen rechtsfreier Raum, das ist das Wichtigste am Riedleben.

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828 gezählte Riedhütten (und etliche mehr, die noch nicht erfasst wurden) bilden ein einzigartiges, vielfältiges Konglomerat aus Anbauflächen für den Hausgebrauch, Kleintiergehegen und Freizeitdomizilen. Die Besitzer derselben zeigen ihre Ge­schmäcker teils recht unterschiedlich. Von funktionalen und windschiefen Geräteschuppen (der eigentliche Sinn der Hüt­ten) bis richtiggehenden Kleingartenvillen mit Komfort und Kitsch ist alles dabei. Jeder Versuch, den Wildwuchs etwas einzugrenzen, ist bisher an noch nicht überwindbare Bretter­wände gestoßen.
 
Ried kann aber auch anders. Als Europaschutzgebiet zum Beispiel im Bereich Obere Mähder und Gsieg auf 7 ha. Das unscheinbare Schutzgebiet beherbergt unter anderem mehr als 500 Schmetterlinge, ein Drittel aller in Vorarlberg vorkom­menden Orchideenarten, 350 verschiedene Blütenpflanzen und Gräser, 42 Libellen- und mehr als 400 Käferarten. Schon mit der Beobachtung des Getiers könnte man einen ganzen Sommerurlaub zubringen, ohne eine Sekunde Langeweile. Aber das ist eine andere Geschichte. 
 
Individualität wird in Lustenau überhaupt groß geschrieben. Nicht nur im (teilweise) geordneten Bereich der Riedstücke und Schrebergärten. Auch die Privatgärten sind Individual­paradiese. Gartenflächen bilden gerade in Ballungsräumen ein locker verbundenes Biotop mit großer Artenvielfalt. Vom Nutzgarten bis zum exotischen Wasserpark ist alles dabei.
 

Im Garten bei Heubi

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Schon an der Pforte zu Heubis Garten ist klar: das ist kein hundsnormaler Bauerngarten, und auch kein Schöner-Woh­nen-Garten aus dem Magazin. Heubi hat eine Leidenschaft, und die schon seit 50 Jahren. Er sammelt, pflegt, vermehrt und züchtet Rhododendren und Azaleen. Und die blühen und gedeihen ganz prächtig von März bis Juni. Heubi lebt schon immer, also 81 Jahre hier, seit 60 Jahren geht er in den Gar­ten, zunächst mit Oma und Mama in den üblichen Nutzgarten mit Obstbäumen und Gemüse. Irgendwann ist er ganz zufällig auf die deutsche Rhododendron-Gesellschaft gestoßen und hat sich infiziert mit dem Virus der blühenden Gehölze. Nach und nach hat er den Garten umgestaltet zu einem kleinen Blühparadies. Diese Leidenschaft hat ihn schon in ganz Eu­ropa in wundervolle Gärten und Baumschulen geführt. Immer zusammen mit seinem besten Freund, der aber nun leider im Vorjahr verstorben ist.
 
Bei genauerem Hinsehen hat Heubis Garten aber noch viel mehr Gehölze zu bieten. Da stehen Blumenhartriegel, Schneeflockenbäume und Hamamelis ebenso wie zahlreiche Ilex, also Stechloub, wie man hier sagt. Letztere haben eine wichtige Funktion: Mit ihren Beeren bringen sie Amseln in den Garten, und die halten die Schädlinge an den Stars des Gartens, den wunderbaren Azaleen, fern. Gift spritzt Heubi schon lange keins mehr. Schon weil in seinem Garten „vierer­lei Hummeln“ zu Hause sind und zahllose Bienen Nektar und Pollen sammeln. Bei Jazzklängen aus dem offenen Fenster könnte man Heubi stundenlang zuhören, wenn er von seinen Reisen und seinen Pflanzen erzählt. 

Schrebergarten

Wer keinen eigenen Garten oder ein eigenes Riedstück hat, muss trotzdem nicht unbedingt auf Urlaubsglück vor der Haustür verzichten. Allerdings braucht man etwas Geduld, um an einen der 95 Schrebergärten am Alten Rhein zu kommen, die die Marktgemeinde Lustenau verpachtet. Die Größe der Gärten ist unterschiedlich und reicht von ca. 3 ar bis ca. 8 ar. Bezüglich der Bepflanzung gibt es keine Vorschriften, eine gärtnerische Nutzung ist jedoch Voraussetzung. Ursprünglich dienten die Schrebergärten hauptsächlich der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln. Mittlerweile spielt auch Erholung eine wichtige Rolle. Für Interessierte wird eine Warteliste geführt.

Kontakt:
Gebhard Hämmerle, Marktgemeinde Lustenau,
Rathausstraße 1, 6890 Lustenau