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Sanjay Bösch produziert Sauergemüse, Kombucha und Miso

Die Kunst der Fermentation

Das Wissen um Mikroorganismen und was sie Gutes mit Lebensmitteln anstellen können, hat sich Sanjay Bösch mithilfe von Literatur und im Experiment selbst beigebracht. Als Mitarbeiter des Vetterhofs kam er 2013 an ein Buch über die Kunst der Fermentation und war fasziniert. Heute ist er ein gefragter Referent und Produzent von Sauergemüse, Kombucha und Miso, denn Bakterien können weit mehr herstellen als nur das gute, alte Sauerkraut.

Lebensmittel zu verschwenden widerstrebt Sanjay Bösch. „Wir suchten am Vetterhof nach einer Möglichkeit, das Gemüse, das für den Verkauf nicht geeignet war, zu verwerten. Und das Fermentieren hat sich da angeboten“, erklärt er. Jeder kennt Sauerkraut - früher hatte jede Familie ein Fass oder einen Topf mit eingelegtem, gehobelten Kraut oder „Räba“ im Keller vorrätig. Die vitamin- und mineralstoffreiche Ernte halt- und genießbar zu halten, war vor allem für die Wintermonate eine Notwendigkeit. So begleitete die Fermentation die Menschheit seit jeher.

Uraltes Wissen

Doch das alte Wissen um die Produktion von Sauergemüse ist in heutigen Zeiten mit modernen Kühlmöglichkeiten bei größtmöglicher Sterilität in der Lebensmittelverarbeitung zusehends verloren gegangen. „Dabei ist Fermentation das Einfachste der Welt: Es funktioniert ohne Kühlung und ohne jede Technik, denn Bakterien sind ja in uns, auf unserer Haut – einfach überall. Jeder Mensch ist eigentlich ein Ökosystem. Alles beeinflusst sich gegenseitig“, sagt Sanjay Bösch, der darum sein Unternehmen auch „Bacteriosapiens“ genannt hat. Das Fermentieren ist für ihn eine schöne Möglichkeit für jeden Haushalt, die Verantwortung für seine Lebensmittelversorgung ein Stück weit selbst zu übernehmen. Der Unternehmer, dem ganzheitliches, achtsames Handeln generell ein wichtiges Anliegen ist, teilt sein Wissen um die Herstellung von Sauergemüse auch in Workshops mit Interessierten.

Und so geht’s!

Das zerkleinerte, gesalzene Gemüse, im eigenen Saft oder unter Salzwasser stehend, wird möglichst dicht in ein Gefäß geschlichtet und beschwert. Der luftleere Raum und in den ersten Tagen zimmerwarme Temperatur schaffen ideale Bedingungen für die Vermehrung von Milchsäurebakterien, was wiederum Verderbnis verursachenden Mikroorganismen keine Chance lässt. „Die Bakterien fressen die Kohlehydrate im Gemüse und scheiden Milchsäure aus, die das Gemüse dann konserviert. So entsteht ein probiotisches Lebensmittel, das die Verdauung stärkt. Es enthält wertvolle B-Vitamine und gut aufgeschlüsselte Mineralstoffe, die für unseren Körper besser aufzunehmen sind“, beschreibt Sanjay Bösch den Prozess und die gesundheitlichen Vorteile, „Die Wissenschaft ist erst dabei zu erkennen, welche große Bedeutung Bakterien für uns haben, etwa für das Immunsystem. Das Mikrobiom ist ja heute in aller Munde“. Verwenden kann man für Sauergemüse eigentlich fast jedes Gemüse, „außer vielleicht Kopfsalat“.

„Koreanisches Sauerkraut“

Mit der Entdeckung der asiatischen Küche, die noch eine weit größere Palette an Sauergemüsen kennt, erlebt Fermentiertes auch hierzulande eine Renaissance. In Korea heißt es „Kimchi“ und gilt als Herz und Seele der koreanischen Küche. Für Kimchi wird traditionell vor allem Chinakohl verwendet. „Kimchi in seinen hundertfachen Variationen gehört in Korea zu jedem Essen dazu. In seiner simpelsten Form wird dieses Sauergemüse mit Salz, Ingwer, Chili und Paprikapulver eingelegt. Ich verwende für mein Kimchi Chinakohl, Rettich und viel Paprikapulver, es ist also nur angenehm pikant. Die Koreaner mögen es lieber mit ein bisschen mehr Chili-Pep“, sagt Sanjay Bösch. In Korea treffen sich Familien, ja ganze Nachbarschaften, zu Gemüseeinlege-Festen, „Kimjang“ genannt. „Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Lebensmittelherstellung die Menschen zusammenbringt.“

Kombucha - Gesunde Tee-Limonade

Ein weiteres fermentiertes Produkt aus dem Hause „Bacteriosapiens“ ist „Kombucha“. Dabei wird gezuckerter Tee, vor allem Grün- oder Schwarztee, aber auch Kräutertee, in sieben bis zehn Tagen durch eine Bakterien-Hefen-Symbiose, die Kombucha-Kultur, zu einer erfrischenden, leicht prickelnden Limonade vergoren. „Die Kombucha-Kultur ähnelt einer Essigmutter und verwandelt den Zucker im Tee in organische Säuren und Enzyme, die wichtige Funktionen im Körper übernehmen. Zu den Inhaltsstoffen gehört unter anderem das wertvolle B12-Vitamin“, so Sanjay Bösch. Die Herkunft von Kombucha ist legendenumrankt. Das süß-säuerliche Getränk wird seit Jahrtausenden in China, Japan aber auch in Russland und Korea getrunken. „Hausgemachter Kombucha ist dabei nicht mit dem zu vergleichen, was die Industrie als Kombucha verkauft. Die Sterilisation zur Haltbarmachung tötet alle wertvollen Mikroorganismen ab“, erklärt der Lustenauer. Er versetzt seinen lebendigen Kombucha gerne mit natürlichen Zutaten, um neue Aromen zu kreieren, etwa Kräutern, Zitrusschalen oder im Sommer Himbeeren.

Miso - Japanische Würzpaste

Miso war lange nur Kennern der japanischen Küche bekannt. Diese lang reifende Würzpaste wird in einem aufwändigen Prozess aus fermentierten Sojabohnen und Getreide hergestellt, der gleichen Grundmasse wie für Sojasauce. Mikrobiologischer Helfer ist im Fall von Miso „Koji“, eine Edelschimmelkultur. „Der Pilz wird auf Getreide gezüchtet und erzeugt Enzyme, die die Proteine der Sojabohne in Aminosäuren aufspalten, etwa Glutaminsäure, die als natürlicher Geschmacksverstärker wahrgenommen wird. Das steckt übrigens auch in Parmesan. In Japan nennt man den Geschmack „umami“, so Sanjay Bösch, der drei Monate lang in Japan verbrachte, um die traditionelle Sojasauce- und Miso-Produktion am Land zu studieren. Misosuppe und Reis gehören dort zu den Grundnahrungsmitteln. „Das gibt’s morgens, mittags und abends, denn Miso war und ist für die Landbevölkerung eine wichtige Proteinquelle. Asien ist ja Pflanzenproteinland, ausgehend von einer buddhistischen Lebenseinstellung, die das Leben achtet. Die Verwertbarkeit des Soja-Eiweiß für unseren Körper wird durch die Fermentation von 60 auf 80 Prozent gesteigert“, erklärt er. Sein Miso, das aus österreichischem Soja und Getreide gemacht wird, wird in alten Sauerkrautfässern gelagert, was zusätzlichen Geschmack verleiht. Anders als das Turbo-Miso der herkömmlichen Industrie hat Sanjay Böschs Sojapaste Zeit, zu reifen. „Das ist vergleichbar mit einem guten Wein oder Käse. Ich gebe mein Miso eigentlich nicht unter neun Monaten Reifezeit in den Verkauf“, sagt er.

Langsames Vermehren

Dank der großen Nachfrage nach seinen Erzeugnissen hat der Lustenauer mit seiner 2017 gegründeten Firma „Bacteriosapiens“ bereits gut Fuß gefasst. Sein Kimchi, Kombucha und seine Misopaste sind bei ihm direkt und im BOTTA erhältlich, über aktuelle Fermentier-Workshops informiert die Homepage bacteriosapiens.com. Eine weitere Professionalisierung im Vertrieb seines Kleinunternehmens strebt er zwar an, es ist aber wie mit seinen von Mikroorganismen hergestellten Produkten: Gut Ding braucht eben Weile. „Wir wachsen stetig, aber mit Bedacht“.